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Analog oder digital?

31. Januar 2009

Ich habe gerade das Vergnügen, die Magisterarbeit einer Freundin zu lesen, in der es um digitale und analoge Fotografie geht. Und ich meine das ernst: Es ist wirklich erhellend, das zu lesen. Ein paar Absätze möchte ich im Folgenden zitieren. Ich hoffe, ich kann sie davon überzeugen, es zu publizieren.

Die Gleichsetzung kognitiver Prozesse mit Digitalität, führte laut Schröter zu einem Antagonismus, der „das Analoge als das Ursprüngliche, Natürliche, Reale (oder kausal mit dem Realen Verbundene) – aber auch Unbestimmte und Amorphe; das Digitale und insbesondere das Binär-Digitale hingegen als das Omnipotente, Universelle, ja Kulturelle codiert“ . Schröter formuliert weiter, dass sich mit der Bezugnahme der Attribute analog/digital auf den Medienbegriff, die Dichotomie weiter verfestigt hat. Er verortet hierfür die Anfänge in den sechziger Jahren ; die breite Entwicklung dieser Differenz findet jedoch mit der Erfindung der CD (Compact Disc) in den achtziger Jahren statt. Damit hat sich in der Gegenüberstellung von Schallplatte und CD die „Dichotomie analog=real, aber auch mit den Trübungen der Welt behaftet vs. digital=hyperreal, also realer als real, aber potenziell auch irreal“ etabliert. Schröter beobachtet weiter eine sich durchsetzende normative Wertung der Kategorien analog und digital: Im Zuge der Verbreitung des Personal Computers, der digitalen Kamera und der Bildbearbeitungsprogramme, entwickelte sich schließlich ein Verständnis von digital als fortschrittlich und analog als überkommen.

Durch die Fotografie wird ein neuer Wirklichkeitsbegriff definiert, „der die Simulation und Virtualität als neue Ontologie proklamiert“ . Während die analoge Fotografie die Realität als Simulacrum im Sinne des Ebenbilds wiedergibt, gibt die digitale Fotografie sie als neuartiges Simulacrum wieder. Für dieses ist charakteristisch, dass es „die Wirklichkeit absorbiert hat und zur neuen Wirklichkeit geworden ist“ oder wie Schaesberg es formuliert: „Im Simulakrum wird die Wirklichkeit durch ihre Repräsentation ersetzt.“ Als Beispiel können die Aufnahmen von weiblichen Porträts in der Werbefotografie genannt werden. Diese vermittelt das Bild einer Frau, die es in der Realität nicht gibt, mitunter gar nicht geben kann. Durch Beauty-Retuschen werden Idealbilder von Frauen geschaffen, wie dies Feron mit seiner Retusche von Behnaz Sarafpour getan hat, die jedoch auf viele Frauen als verbindliche Realität wirken und so in Form des Vorbilds zur faktischen Realität werden.

Auch Batchen setzt sich mit dem Gedanken der Simulation auseinander. Er argumentiert im Sinne der Zeichentheorie, dass vor allem mit Hilfe von Bearbeitungssoftware die Möglichkeit gegeben ist, Bilder ohne jeglichen Wirklichkeitsbezug zu schaffen, die jedoch real erscheinen. Diese ‚Fotografien’, es handelt sich hierbei faktisch um Computerbilder, simulieren Realität, sind in Wahrheit jedoch von virtueller Natur.

Auch Rötzer vertritt die These, dass die „Täuschung (..) das innerste Prinzip der technischen Bilder“ sei und „deren Realismus stets ein Selbstbetrug“ . Wobei durch die mannigfachen Möglichkeiten der Bildbearbeitung, eine Steigerung dieses Prinzips in der Digitalfotografie für ihn zu beobachten ist. Die Fotografie ist für ihn jetzt eine „perfekte Malerei eines digitalen Surrealismus“ – das Bild wird zur „nackte[n] Imaginationsfläche, die der subjektiven Aufzeichnung offen steht“ .

Für René Berger ist das Wesentliche und gleichzeitig qualitativ Nneue am digitalen Bild, dass es die „Technologie als Ko-Autor“ hat. Das Neue an diesem Bildtypus ist daher die doppelte Autorenschaft, die in Form von unter anderem automatischer Einstellung der Blende, der Belichtungszeit, des Kontrast, des Weißabgleichs, der ISO-Werte und des Autofokus starken Einfluss auf das Endresultat einer Fotografie nimmt. Der Claim von Kodak „You press the button, we do the rest“ bringt diesen Aspekt der digitalen Fotografie gut zum Ausdruck und zeigt, dass sich diese Entwicklung schon seit 1888 begann abzuzeichnen und ihren Höhepunkt in der Digitalfotografie erlebt.

Bei der Frage nach der Objektivität von Fotografien, vor allem angesichts der Entwicklungen im digitalen Bereich, wird oft vergessen, dass der Fotograf sowohl im analogen als auch im digitalen Bereich bereits im Voraus des Fotosvor dem eigentlichen Fotografieren, viele Entscheidungen treffen muss. Entscheidungen, die die Wirkung des Fotos deutlich entscheidend beeinflussen und damit individuell färben. Der manipulative Charakter dieser Entscheidungen wird in Wolfgang Coys Terminus für sämtliche Maßnahmen, die vor der Aufnahme vorgenommen werden, deutlich: primäre Fälschung . „Das Objektiv (…) ist [eben] nicht so objektiv“ , wie es Damisch formuliert.

„[Bei der Digitalfotografie] handelt [es] sich um eine neue ‚Schrift’, die von allen beherrscht werden sollte, wenn sich zwischen den gebildeten und allmächtigen Hohepriestern und den digitalen Analphabeten, die eine leichte Beute in den Händen der Magier der Information sind, nicht immer tiefere Gräben bilden sollten“ (Quéau 1996: 111).

Deussen dagegen, schlägt einen Perspektivenwechsel vor: Alle Bilder sollten demnach zunächst als manipuliert betrachtet werden. Als authentisch würden sie nach seiner Theorie erst durch die Auszeichnung mit einem speziellen Gütesiegel gelten. Bei Verwendung des Gütesiegels verpflichtet sich der Fotografen dazu, das Bild im Internet zur Verfügung zu stellen, so dass es von jedem mit geeigneten frei zugänglichen Analyseprogrammen, wie gerade beschrieben, getestet werden kann. Die Urheberrechte müssen selbstverständlich dabei gewahrt werden. Des weiteren müsste der Fotograf das Bild in einem speziellen Format speichern, so dass alle Arbeitsschritte von der Aufnahme an nachvollziehbar sind. Um die Authentizität der Ausgangsdatei zu gewährleisten, schließlich könnte die Ausgangsdatei ja bereits manipuliert sein, schlägt Deussen weiter vor, dass von der Kamera ein digitaler Fingerabdruck eines jeden Bildes erzeugt werden müsste, der garantiert, dass das Foto mit der Kamera aufgenommen wurde. Dieser Abdruck müsste in Kamera und Bilddatei gespeichert werden, so dass ein Abgleich mit den im Internet publizierten Daten jederzeit durchgeführt werden kann.

Aber auch für Künstler wie beispielsweise Pedro Meyer ist die Kennzeichnung manipulierter Fotografien interessant. Dieser fügt zwar nicht das Kürzel [M] hinzu, gibt aber sowohl Aufnahmedatum der Fotografie wie auch das Datum der Fotomanipulation an. Fotografien mit zwei Aufnahmedaten können bei ihm daher sofort als manipulierte Fotografien erkannt werden.

5 Kommentare

  1. „das Analoge als das Ursprüngliche, Natürliche, Reale (oder kausal mit dem Realen Verbundene) – aber auch Unbestimmte und Amorphe; das Digitale und insbesondere das Binär-Digitale hingegen als das Omnipotente, Universelle, ja Kulturelle codiert“

    Macht es mich zu einem verbitterten alten Mann, dass Satzfragmente wie das obenstehende mir keineswegs Vergnügen bereiten? Der Satz is grober Unfug. Der Autor verwendet allerlei Fremdwörter. Leider gelingt es ihm kaum, sie in einen sinnvollen Zusammenhang zu stellen. Ein kleiner Übersetzungsversuch:

    „das durch kontinuierliche Variablen Repräsentierte als das Ursprüngliche, Natürliche, Reale (oder kausal mit dem Realen Verbundene) – aber auch Unbestimmte und Amorphe; das an den Fingern abzählbare und insbesondere das einem Finger abzählbar hingegen als das Omnipotente, Universelle, ja Kulturelle codiert“

    Noch etwas lustiger wird es, wenn man „analog“ anders übersetzt:

    „das als vergleichbar Erachtete als das Ursprüngliche, Natürliche, Reale (oder kausal mit dem Realen Verbundene) – aber auch Unbestimmte und Amorphe;“

    Dummes Angeberdeutsch. Sich mit dem Werk solcher Leute auseinandersetzen zu müssen ist mir ärgerlich. Es bleibt mit Karl Popper zu sagen:

    “Wer´s nicht einfach und klar sagen kann, der soll schweigen und weiterarbeiten bis er´s klar sagen kann.”


    • Wütender junger Mann:

      Zur Verteidigung meiner Freundin muss ich hier anführen, dass es sich um ein Zitat handelt. Und ja: Geistes- und Sozialwissenschaftler neigen durchaus dazu, Dinge kompliziert zu sagen. Aber für mich sind sie trotzdem verständlicher als irgendwelche Formeln, mit denen mein unlogisches Gehirn leider wenig anfangen kann. Schon meine Mathematiklehrerin entgegnete auf meine vierzehnte Nachfrage, wieso das denn so sei, mit „Du boykottierst meinen Unterricht.“ Insofern: Exaktheit und Formeln für die logisch-denkenden Menschen. Komplizierte, hochstilisierte, pseudowissenschaftliche Sätze für den Rest. :-)

      In einem muss ich dir aber zustimmen: Wissenschaft ist nicht wissenschaftlicher. weil man komplizierte Sätze formuliert.


  2. Ohh, sehr spannend. Um was für einen Studiengang handelt es sich denn ? Für einen der Fotografie verfallenen Nicht-Akademiker gibt es da natürlich einige Punkte über die man diskutieren könnte… Denn Manipulation beispielsweise beginnt nicht erst beim digitalen Bild. Und Technologie als Ko-Autor ist auch kein Novum, das gab es auch schon in der analogen Welt.


    • Kunstgeschichte. Sie kommt ich am 21./22. besuchen. Vielleicht sollten wir dann auch das mit dem Sekt machen?


  3. Nun, jede Profession hat Ihre eigene Sprache, die der Geisteswissenschaftler macht da keine Ausnahme. Daher finde ich den Text für einen Aussenstehenden schwer verständlich, das liegt aber in der Natur der Sache. Was mich interessieren würde: Fotografiert Sie selber ?
    Wegen dem 21./22. können wir ja mal am 9. sprechen ;)



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