Zitate aus „Blonder Tango“ von Omar Saavedra Santis. Neues Leben: Berlin, 1983:
„… sieht nur, was es für Sachen gibt, gib acht auf dich, Brüderchen, vergiß nicht den Cambita Ojopi, der dich so gern hat, na also; wenn du dort in dem Europa der blonden Schamhaare und der kleinen Herzen bist, erinnere dich an deinen Camba und komm bald zurück, laß mir die Adresse von deiner Familie da, denn bald komme ich aus diesem Wüstengrab voll Sonne heraus…“ (S. 14f.)
„… denn ich kann mir vorstellen, daß diese Sprache eine schreckliche Sache sein muß, Gott sei Dank sprichst Du etwas Französisch, und das müßte Dir weiterhelfen, denn Dein Onkel Alfonso hat mir erzählt, daß alle Deutschen bis zu drei und noch mehr Sprachen sprechen.“ (S. 19)
„Ich hätte niemals gedacht, daß Du beim Theater enden würdest, umgeben von Künstlern und bedeutenden Leuten, aber ich freue mich für Dich, weil das Theater Dir immer so großen Spaß gemacht hat, genau wie Deinem Vater. Außerdem hat Josefina Apablaza mir gesagt, daß diese Länder eine viel höhere Kultur haben als wir hier, und so muß es auch sein, dafür ist es Europa.“ (S. 20)
„… und sie blieb, ohne recht zu wissen, warum, sie stellt die Tassen symmetrisch auf den Tisch, oder sie blieb, weil auch sie ihn begleiten wollte, die Kekse und den Zucker, und die magische Formel finden wollte, um ihn zu trösten, überlegt, wo sie das Saccharin hingestellt hat, der fliegen gelernt hat in einem so fernen und mysteriösen Kontinent, den sie liebt, ohne ihn zu kennen, verflucht ihre Tendenz zuzunehmen, nur weil er von dort kam, beschließt, den Kaffee schwarz zu trinken, denn als er zu ihr sprach, war es, als würde man einem Land begegnen, das man nicht hat und das man begehrt, sie sagt ihm, daß der Kaffee kalt wird, denn er weckte in ihr einen Hunger, das Unbekannte kennenzulernen, weckte auch in ihr einen Hunger nach ihm, verbrennt sich mit dem ersten Schluck heißen Kaffees die Zunge, aber das sagt sie ihm nicht…“ (S. 64f.)
„<Als wir uns kennenlernten, wolltest du nicht.>
<Weil du betrunken warst, und da wäre es genauso gewesen wie masturbieren. Genau wie jetzt.>
<Ich wollte zwischen uns nichts versauen, verdammt! Ich wollte nicht! Weil es leichter ist, mit jemandem zu ficken, als sich zu unterhalten! Bring das in deinen deutschen Dickkopf hinein!>
<Sich unterhalten oder dir zuhören? Sich wirklich unterhalten? Dein einziges Interesse gilt doch immer nur dir selber und deiner verfluchten Geschichte vom Kindchen, das so fern von zu Hause ist.>“ (S. 66)
„… das Leben verläuft hier ohne große Turbulenz. Ein bißchen zu ruhig für meinen Geschmack, aber ich bin sicher, Dir würde es gefallen, Onkel. Ich frage mich manchmal, ob man bei so viel Sicherheit wirklich glücklich sein kann. Es ist, als würde man in einem Sanatorium leben, aber das scheint sie nicht weiter zu stören. Ich glaube, sie versuchen immer, den heutigen Tag sehr dem gestrigen gleichen zu lassen und den morgigen sehr dem heutigen.“ (S. 68)
„Diese Ruhe, von der ich Dir erzähle, wird immer dann verdächtig, wenn man ihnen zuhört, wie sie nach Gründen und Motiven für die einfachsten Dinge des Lebens suchen. Halb im Scherz, halb im Ernst (wie immer) sagen wir, daß dies die Lieblingslosung der Deutschen ist ‚Wozu einfach, wenn´s auch kompliziert geht.‘ Im Theater ist das eine goldene Regel. Ich glaube, ihnen fehlen ein bißchen Sonne unter den Füßen und Flügel zum Fliegen.“ (S. 68)
„Doch obwohl ich keine direkte Erfahrung gemacht habe, glaube ich, daß die Ehe eine sehr ernste Angelegenheit ist, von der man zwar weiß, wie sie beginnt, aber nie, wie sie endet. Es geht mir auch der Gedanke durch den Kopf, daß mit einer Deutschen die Sache noch um vieles ernster ist. Wenn Du mir den Vergleich gestattest, so glaube ich, daß es etwas Ähnliches sein muß wie eine Mischung aus Pelé und Beckenbauer, das heißt, etwas, was man sich nur sehr schwer vorstellen kann.“ (S. 120)
„Niemals könnte ich sagen, daß ich mich in diesem Land zu Hause fühle. Das wäre wirklich eine rosarot gefärbte, exakt graue Lüge. Ha! … Habe ich Ihnen schon von dem Nein der Deutschen erzählt? … Lassen Sie mich erzählen, so werden wir etwas zu lachen haben. Unter den Rezepten, die wir uns ausdachten, um uns dem Heimweh hinzugeben, nahm das Nein der Deutschen lange Zeit einen besonderen Platz ein: Wir setzten uns, gemeinsam mit anderen Landsleuten, hin, um die Nein aufzuzählen: die Deutschen sind nicht unterhaltsam, die Deutschen verstehen nichts vom Essen, sie verstehen nicht, sich zu betrinken, sie haben kein Temperament, sie blicken nicht zum Himmel, sie sind nicht großzügig, sie können nicht tanzen, sie sind nicht bescheiden, sie verstehen nicht zu verlieren, sie verstehen nicht zu gewinnen, sie essen keine rohen Muscheln, sie üben keine Selbstkritik, sie nehmen keine Kritik an, sie glauben nicht, sie können nicht über sich selbst lachen, sie haben niemals Zeit, sie hören nicht zu, sie sind nicht flexibel, nein, nein und nochmals nein. Nun die Liste war lang … Und wir? Nun, wir mußten glauben, daß wir eben besser waren… Selbst wenn Sie mir nicht glauben, auch das war und ist ein Teil der Liebeserklärung an dieses Land und seine Menschen…“ (S. 131f.)
„… wenn du deinen Mund nicht aufmachst, um auch auf unsere Probleme einzugehen, entziehst du uns auch die fremden Augen, die manchmal mehr sehen als unsere eigenen, läßt du uns allein in einer Provinz, und wenn das geschieht, werden wir weiterhin glauben, daß diese Provinz die Welt ist und wir ihr Nabel.“ (S. 143)